Was geschah am 2. Oktober?

In Gedenken an Patrick Thürmer und allen Opfer rechter Gewalt finden am 3. Oktober in Hohenstein Ernstthal und Chemnitz verschiedene Veranstaltungen statt. Anlass ist der Mord an den 17-Jährigen Punk aus Hohenstein-Ernstthal, welcher am 2. Oktober 1999 brutal von Neonazis ermordet wurde.

Was geschah in der Nacht zum 2. Oktober?
Am 1. Oktober fand im Jugendclub „Off is“ das „Zweite 99er Punkfestival“ in Hohenstein Ernstthal statt. Der Jugendclub bekam schon öfters Drohungen und ist Ort von Übergriffen durch Neonazis geworden, welche sich in der gegenüberliegenden Diskothek „La Belle“ trafen.
Auf dem Nachhauseweg bemerkte eine Band, welche auf dem Punkfestival gespielt hat, einen Nazimob, welcher auf das „Off is“ zusteuerte. Sie riefen mehrmals die Polizei.
Während sich die Polizei Zeit lies, prügelten etwa 100 Faschos mit Baseballschlägern und Schlagstöcken auf die Besucher*innen des Festivals ein, die bisher nichtsahnend weiterpogten.
Etwa 15 Punker*innen mussten ins Krankenhaus, und nachdem die Polizei zu spät eintraf, nahm sie erst einmal die Besucher*Innen in Gewahrsam. Nach etwa einer Stunde wurden sie nach und nach freigelassen, und dann weiterhin von Nazis, welche immer noch in der Umgebung lauerten, bedroht.
Rund 30 Punks entschieden sich, den Angriff nicht unbeantwortet zu lassen, und von ihrem recht auf Selbstverteidigung Gebrauch zu machen, und griffen das „La Belle“ an. Polizeieinheiten, welche auf die Hilferufe der Punks nicht reagierten, tauchten nun auf Notruf des Diskobetreibers auf. Die Punks wurden aber schon vorher von Türstehern vertrieben.

Auch Thomas Haller, Gründer der „HooNaRa“ (Hooligans, Nazis, Rassisten – Ultragruppe des CFC) und der „Haller-Security“, wurde laut Augenzeugen in der Umgebung gesehen, wie er mit anderen Türstehern jagt auf Punks gemacht hat. Es wurden Nazis aus der Türsteher Szene zur Disko „La Belle“ mobilisiert, um Linksgerichtete Menschen anzugreifen. So auch die drei Mörder von Patrick Thürmer: Nico Ne. (damals 24), Michael Os. (d. 23) und Thomas Wa. (d. 21). Sie fuhren gegen 1:00 von der Zwickauer Disko „FUN“ mit einem Auto los, bewaffnet mit unterschiedlichen Schlagwerkzeugen. Sie drehten ein Paar Runden, um „Jagd auf Zecken“ zu machen.

„Da ist einer“ rief einer der Männer. Sie stürmten auf Patrick und seinen Freund zu, welche sich gegen 3:30 über Schleichwege vom „Off is“ losmachten, um nicht von Nazis gesehen zu werden. Nico, Michael und Thomas prügelten mit Axtstiel, Hammer und Billiardqueue minutenlang auf Patrick ein. Sie Zertrümmerten unter anderem mit dem Billiardqueue seine Kniescheibe und fügten ihm schwere Kopfverletzungen zu. Die Liste der Verletzungen musste in 17 Zeilen bei dem Prozess vorgetragen werden.
Er versuchte mit seinen Verletzungen noch zur Straße zu kriechen, schaffte es aber nur ein paar Meter weit.

Anwohner*Innen haben später ausgesagt, dass sie die schreie für Bauarbeiten gehalten haben.

Am nächsten Tag wurde er gegen 17:15 auf dem Boden liegend und mit Blut überströmt vor einem Bauernhof gefunden und ins Krankenhaus geflogen, wo er seinen Verletzungen erlag.

Die Täter waren alle samt bekennende Faschisten.
Nico Ne. War bei der Meeraner Security Firma „Bulls“ sowie bei Hallers „SEC Meerane“ tätig, und pflegte offen Kontakte zu „HoNaRa“. Alle drei hatten Verbindungen zur „Haller-Security“.
Michael Os. War laut psychologischen Gutachten der Bundeswehr „auffällig wegen aggressivem und gewalttätigem Verhalten“ und wurde wegen „Anpassungsstörungen“ vorzeitig aus dem Wehrdienst entlassen. Thomas Wa. War ein durchtrainierter 90 Kilo schwerer Typ mit Drogenproblemen.
Thomas Haller stritt die Verbindungen zu den dreien vehement ab. Es ist aber nicht zu leugnen, dass sie sich kannten.

In den Tagen nach dem 2. Oktober gab es eine Runde in der Disko „FUN“, wo sich über den Mord ausgetauscht wurde. Daran nahm laut Nico Ne. Auch der Chef der Meeraner Security-Firma „Bulls“, Gunnar Pr. teil.
Bei der Rückfahrt einiger „HoNaRa“ Leute von einem Spiel gegen Cottbus fuhr Patrick Gentsch mit unter anderem Nico Ne. Im Auto zurück. Patrick Gentsch ist „HoNaRa“ Mitglied und Lokalpolitiker der NPD. Sie hörten im Radio die Nachricht, dass Patrick Thürmer gestorben ist und nach einem „Ford Galaxy“ geahndet wird. Die Insassen einigten sich darauf, „dass ruhe zu bewahren ist und jeder macht so weiter, wie bisher“.
Am selben Tag traf Nico noch Ralf Marschner, welcher ihn geraten hatte, das Tatfahrzeug abzukleben, damit es die Ermittler*Innen nicht finden können.
Ralf Marschner war von 1992 bis 2002 als V-Mann „Primus“ aktiv. Straftaten bei Fußballspielen, die Verwicklungen in den Mord an Patrick Thürmer und der Vertrieb von Landser-CDs fand alles in diesem Zeitraum statt. Außerdem hatt er Verbindungen zu dem NSU Unterstützerumfeld sowie zu Böhnhard, Mundlos und Zschäpe.

„Ein paar Tage später rief ein anonymer Hinweisgeber bei der Polizei an und sagte aus, dass er wenige Tage nach dem Mord ein Gespräch belauschen konnte, in dem ein „Manole“ erzählte, er und sein Kumpel „Clauß“ aus Meerane hätten den Punker in Hohenstein erschlagen. Mit „Clauß“ dürfte Manole den Türsteher und engen Vertrauten Thomas H.’s, Andre Cl., gemeint haben. Lokale Antifaschist_innen erinnern sich, dass Andre Cl.’s Kameraden der „Koma Kolonne Meerane“ bereits 1995 an dem Mord an Peter T. am Stausee Oberwald bei Chemnitz beteiligt waren. Die 20 Neonazis hatten erst eine Gruppe Pakistaner angegriffen und später den 24-jährigen Bundeswehr-Soldaten so schwer verprügelt, dass er Tage später starb. Nico Ne. war damals laut eigenen Aussagen bei fast allen Prozess-Tagen gegen die acht Angeklagten anwesend. Sein enges Verhältnis zu Andre Cl. lässt sich auch während seiner eigenen Inhaftierung 1999 feststellen: Er hatte Andre Cl. als einen der Ersten benannt, der von den Beamten über seine Inhaftierung benachrichtigt werden sollte.“
-AIB 111 / 2.16

In der Gesellschaft war die Reaktion zynisch. In Statements zu den Vorfällen wurde sich Hauptsächlich gegen weitere Punkkonzerte im „Off is“ ausgesprochen. Die Schuldzuweisung ging klar an die Betroffenen: Sie würden mit ihrer Existenz als Links-Alternative Menschen solche Angriffe provozieren. Wiedereinmal ist man auf dem rechten Auge blind. So auch das Landesgericht in Chemnitz, welches im September 2000 zwar feststellte, dass Patrick „stellvertretend für jene Linken“ welche die Fascho-Diskothek angegriffen haben, brutal ermordet wurde, aber keinen Neonazistischen Hintergrund erkennen konnte. Immerhin musste nach nicht weniger als 11 Jahren vom Innenministerium zugegeben werden, dass der Mord als rechte Gewalttat einzuordnen ist.
Auch dieses Jahr musste erschrocken festgestellt werden, dass es keine Bereitschaft in Hohenstein Ernstthal gibt, ein würdiges Gedenken für Patrick möglich zu machen. Das Bündnis Chemnitz Nazifrei versuchte erbittert eine Räumlichkeit zu finden. Keine*R war bereit, die Türen für aufarbeitende und errinernde Gedenkpolitik zu öffnen. Nein. Man wolle sich nicht auf eine Seite schlagen, man sei unpolitisch, das Thema sei zu brisant – und eigentlich machen manche Einrichtungen auch lieber AfD Veranstaltungen, wie das Schützenhaus.
Dazu könnt ihr den offenen Brief des Bündnisses lesen.

Aber um wen Geht es eigentlich? Wer war Patrick Thürmer?

Da wir ihn nicht kannten, wollen wir an dieser Stelle auf die Rede Patricks großer Schwester hinweisen.

„Er wurde von uns als Familie sowie bei Freunden und Bekannten als liebevoller, hilfsbereiter und lustiger Mensch geliebt und geschätzt. Durch seine lebensfrohe Art fand Patrick stets Anklang bei seinen Mitmenschen.“
– Rede der Schwester zum 10järigen Todestag Patricks
(Teil 1 / Teil 2)

Wir Gedenken Patrick, als einen Jugendlichen, welcher im provinziellen sächsischen Raum alternative Ideen und Lebensweisen pflegte. Als jemanden, der stellvertretend für den Kampf gegen Rechts brachial ermordet wurde.
Es hätte jeden treffen können. Und irgendwo hat es das auch. Wenn es einen trifft, betrifft das alle von uns. Alle die gegen die menschenverachtende Gewalt von Neonazis, gegen ihre zerstörerischen Ideologien, gegen ihre widerliche Auffassung von den Menschen sind.
Wir Gedenken an dieser Stelle auch allen weiteren durch Faschisten ermordeten. In Sachsen, in Deutschland, Europa, International. Wir stehen an der Seite derer, denen Menschen als ihr Kind, als ihre Geschwister, Ihre Eltern, ihre Freundinnen und Freunde entrissen wurden.

Niemand ist vergessen, niemanden ist vergeben. In den Erinnerungen, in unseren Denken, in unseren Handlungen werdet ihr weiterleben; ihr erschafft für uns ein Sinnbild. Einerseits eines einer kalten Gesellschaft, die die mörderische Realität wie Wunden aufplatzen lässt, aus denen langsam das menschliche ausblutet.
Andererseits eines von Menschen, die diesem trotzen, die nach ihren Idealen leben, mit wärme für andere Menschen, sich selbst vergessen um für andere einzustehen.

Patrick wurde ermordet. Er wurde durch drei Neonazis kaltblütig und hinterhältig umgebracht. Doch Schuld sind nicht nur die drei, Schuld sind auch die weiteren Nazis, die an diesem Abend mit der Absicht „Zecken zu jagen“ herrausgegangen sind. Schuld sind dabei die Ideen von Nationalismus, Rassismus, Faschismus etc..
Schuld ist auch die Polizei, welche sich lieber vor den Nazis duckt oder schützend vor sie stellt, und den Lauf immer auf uns richtet, uns nicht ernst nimmt und diskreditiert. Doch wir erwarten nichts von euch, ebenso wie von den Verfassungsschutzorganen, welche jahrelang Neonazis finanzierten, und bis in die Taten des NSU verwickelt sind.
Schuld ist auch die Gesellschaft, welche den Mord nicht anerkennen wollte, welche die Rechten Ideologien nicht problematisiert, welche lieber auf unsere Unterdrückung pocht damit sie in Bequemlichkeit weiterleben kann.
Schuld seid ihr alle an Patricks Tot, macht euch das Bewusst, denn wir alle haben eine Verantwortung für diese Gesellschaft und unser Zusammenleben.

An dieser Stelle auch ein riesen Dankeschön, an die Aktivist*Innen, welche schon vor 10 Jahren die Gedenkarbeit in dem Bündnis: „Erinnern, nachdenken, handeln. Mit Courage gegen Rechts.“ gemacht haben. Danke an die Familie für ihre Beiträge, und alle Unterstützenden der Angehörigen und Freund*Innen Patricks.

Niemand wird vergessen, die Ermordeten sind Unsterblich!

Niemanden wird vergeben, die Mörder sind unter uns.

An dieser Stelle möchten wir ein Gedicht von Patricks Schwester sprechen lassen. Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen – eure trauer wandeln wir für uns in Motivation um, gegen diese mörderischen Gedanken und Taten zu kämpfen. Danke für eure Beiträge und eure Stärke.

Patrick
Ich bin daheim, ganz allein,
vor Deinem Bild der Kerzenschein.
Tränen rollen mir über‘s Gesicht,
denn verstehen kann ich es immer noch nicht.
Auf grausame Art, wurdest du aus unserer Mitte gerissen
-Patrick-
wir werden Dich immer vermissen.

Wir können‘s nicht glauben, es fällt so schwer,
denn ohne Dich, ist unser Leben so leer.
So wie beim Domino ein Stein umfällt, so schnell
gingst Du aus dieser Welt.

Schlaflos blicke ich in den Himmel und seh diesen Stern,
ich gab ihm Deinen Namen, dich er ist so fern.

Immer wieder quälende Fragen.
Fragen: Wie ist es dort in Deiner Welt, ist jemand dort,
der zu Dir hält?
Fragen: Was hast Du alles durchgemacht, in Deiner
allerletzten Nacht?

Das Urteil in Deinem Fall ist nun gefällt, doch niemand
es wirklich zufrieden stellt.
Eine wirkliche Gerechtigkeit wird es nicht geben,
denn Deine Mörder dürfen leben.
Doch eine Hoffnung bleibt bestehen, das wir uns
einmal wiedersehen.

Doch der Verlust, der mich so quält, ist, weil mir mein
kleiner Bruder fehlt.
Was mir noch bleibt ist nur der Schmerz,

ADIEU, mein liebes Bruderherz

Zum weiterlesen:

Antifaschistisches Infoblatt:
Das Netzwerk des NSU zwischen Chemnitz und Zwickau.
Eine Frage der Wahrnehmung

Blog der Initiative „Erinnern, nachdenken, handeln. Mit Courage gegen Rechts.“

Rede der Schwester auf der Gedenkdemonstration zum 10järigen Todestag Patricks
(Teil 1 / Teil 2)

Gedicht der Schwester

Danke an die Freund*Innen von Spektrum360° für das Wunderschöne Graffitie!

Statement: Ausschreitungen im August und „Wir sind mehr – Konzert“

Ersteinmal vielen lieben Dank, an alle Leute die heute hierher gekommen sind. Danke auch an die Bands, die sich bereit erklärt haben zu spielen, und auch an die Organisator*Innen.

Dennoch müssen wir uns fragen, warum wir heute hier sind. Wollen wir nur die Bands hören? Dabei etwas beisammen stehen und uns über schöne Konzerte freuen und danach alle wieder wohlgesonnen Nachhause gehen?
Besteht daraus unser Gegenprotest? Ist das dass, was wir den Ereignissen der letzten Tage entgegenbringen wollen?
Wir müssen uns darüber klar werden, dass die Situation nicht so rosig ist, wie es heute aussieht. Wie es die letzte Woche war, wie es vielleicht kommende Wochen sein wird: Es herrscht keine Partystimmung – es ist ziemlich beschissen.

Im Grunde genommen wurde ein tragischer Mordfall, welcher nicht symbolisch für derzeitige politische Verhältnisse steht, von rechten und faschistischen Akteur*Innen für ihre menschenverachtende Ideologie instrumentalisiert. Ebenso sorgte die BILD zusätzlich für ein Sprungbrett rechter Vereinnahmung, indem sie bewusst ungeklärte Tatsachen als vermeintliche Gegebenheiten darstellte.
In Folge dessen, mobilisierten Rechtsradikale Strukturen aus dem gesamten Bundesgebiet, von parlamentarischer Rechte über neonazistische Hooligangruppen bis hin zu militanter Neonazi- und Kameradschaftsszene nach Chemnitz, um zu „trauern“ und sich gleichzeitig „die Stadt wieder zurück zu holen.“ Oder kurz gesagt, mit der Ankündigung die Alexander Gauland so treffend auf den Punkt gebracht hat: „Wir werden sie Jagen“.
Szenen von Hetzjagten auf Migrant*innen und Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen durch einen brutalen Mob; Sprengsatz- und Flaschenwürfen auf die Gegendemonstration am Montag und ständiger NS-Verherrlichung mittels Sprechchören und Hitlergrüßen prägten nicht nur die Situation in Chemnitz, sondern auch die internationale Presse.

Abgesehen davon, dass hier weder getrauert noch gedacht wird – was sowieso fraglich bei rechter Instrumentalisierung ist, macht es ein tatsächliches Trauern der Angehörigen unmöglich, wenn Rund um die Uhr Rechte und Neonazis an dem Tatort, der Trauerstelle stehen, bzw. besagte Ausschreitungen stattfinden.
Hierzu sei auch klar gesagt, dass nicht nur militante Faschist*Innen für diese progromartigen Zustände verantwortlich sind, sie werden auch ganz klar von parlamentarischen Vertreter*Innen gepusht, wie z.B. das klar grenzüberschreitende und drohende Zitat Gaulands, sowie Martin Kohlmanns selbstfeierndes Auftreten am Montag mit rund 100 militanten Neonazis im Rücken, zeigt.
Hier demonstrieren nicht Bürger neben Abgeordneten, neben Fußballfans. Hier demonstrieren allesamt Menschen mit menschenverachtenden Einstellungen, welche sich gegenseitig in die Hände spielen.
Ebenso demonstrieren da drüben nicht nur Personen, die irgendwann von der „normalen“ Gesellschaft abgedriftet sind. Rassismus, Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und weitere diskriminierenden Einstellungen kristallisieren sich dort an der Spitze des Eisberges in einer perfiden Art und Weise heraus; doch speisen sich letztendlich aus einer Grundlage, auf welche auch unsere Gesellschaft gebaut ist.

Auch an euch, liebe CDU, die ihr den Aufruf für die Gegendemo am Samstag mit unterschrieben habt und euch nun wahrscheinlich um euer Image, um eure Wähler*Innen oder was auch immer – aber sicherlich nicht um Migrant*innen und Geflüchtete, alternative antifaschistische Inhalte und engagierte Aktivist*innen – sorgt:
Auch ihr seid seit Jahrzehnten mit Teil einer Politik, welche Rechtsradikalismus mit verrohender Sprache, menschenfeindlicher Asylpolitik, Relativierungen, Leugnungen und Ignoranz begegnet. Michael Kretschmar – sächsischer CDU Ministerprsident war auch emsig dabei, Ereignisse klein zu reden und uns Antifaschist*Innen zu beschuldigen.
Dieser „Umgang“ mit Faschist*Innen geht auch weit in die nähere Geschichte zurück, von den Ereignissen der letzten Tage, nach Bautzen, Heidenau, Kandel – und auch vor genau 26 Jahren sah es in Rostock Lichtenhagen nicht anders aus. Viel Reue wurde gezeigt bei allen Ereignissen, es wurden Eingeständnisse gemacht – was zurückbleibt sind leere Worthülsen und eine gegensätzliche Politik der Regierungskoalitionen, mancher Oppositionsparteien, sowie der staatlichen Verfolgungsbehörden.
Auch letztere stilisieren sich als „Freund und Helfer“ heraus, wenn es um Gefahrenabwehr, Sicherheit und „Frühwarnsysteme“ geht. In der Realität werden jedoch antifaschistische Aktivist*innen, die sich gegen Menschenfeindlichkeit engagieren, verfolgt, abgehört und schickaniert – auf rechtsradikaler Seite ist man blind, wie der NSU Komplex zeigt.
Speziell die Polizei schätzte die Lage der letzten Woche nicht nur mit massiven Folgen falsch ein, sie wurde überrannt trotz ständiger pompöser Präsenz in der Innenstadt. Gewalt an Journalist*Innen, Hitlergrüße und Ausbrüche wurden schlicht toleriert. Den mutigen Gegendemonstrant*innen, die sich militanten Faschist*Innen entgegenstellten wurde seitens der Polizei vermittelt: Sie hätten weder Kontrolle über die Lage, noch könnten sie bei Ausschreitungen unsere Versammlung schützen – aber offensichtlich sind sie dazu nicht willens. Die Hilfe anderer Polizeieinheiten wie bspw. der Niedersächsischen, die innerhalb von einer Stunde mobilisierungsfähig gewesen wären, wurde abgelehnt.

Danke an die sächsische Polizei, dass das zu anderen Anlässen wie in Wurzen, wo 400 Antifaschist*Innen demonstrierten, mit SEK Einheiten und Wasserwerfern besser geklappt hat.
Danke an die Polizei, welche im Hambacher Forst mit einem protzigen Polizeiaufgebot antanzten, um eine einzelne Barrikade zu Räumen.
Wo wart ihr in Heidenau, Bautzen und Kandel? Wo wart ihr in Rostock?
Ihr habt euer Gewaltmonopol ein weiteres Mal vergeben.

Wir wollen uns damit nicht Schutzbedürftig darstellen oder dem überhöhten Drang nach Sicherheit nachgehen. Wir wollen klar stellen, dass wir uns selber um unsere Gesundheit kümmern mussten und müssen, und dies auch getan haben. Danke dazu an alle, welche sich bedingungslos bereit erklären, die Gesundheit aller Teilnehmenden unserer Proteste zu schützen, und dafür auch in gefährliche Situationen zu gehen. Allen sollte klar sein, dass dies nichts mit Gewaltaffinität, mit Herumgeprotze, sondern mit Notwendigkeit zu tun hat.
Nur so können wir uns alle gemeinsam und geschlossen als antifaschist*Innen pogromartigen Ausschreitungen entgegenstellen, dauerhafte Position beziehen und eigene Inhalte setzen – sonst wird dies niemand tun, wie uns die Geschichte lehrt.

An dieser Stelle wollen wir uns noch einmal bei allen Anwesenden bedanken. Besonders den Freund*Innen welche von weit her angereist sind, denen, die sich bedingungslos für unsere Sicherheit bereitgestellt haben und denen, die uns solidarisch zur Seite stehen! Nur so können wir unserer Utopie etwas entgegenkommen.

Wir haben großartige Solidarität erfahren, ohne die wir den Gegenprotest hier in Chemnitz allein nicht hätten stämmen können. Es gab auch etliche Solidaritätsbekundungen, Demonstrationen und Aktionen…
Wir möchten nun auch diese Plattform nutzen, um uns ebenso solidarisch mit anderen Kämpfen zu zeigen.
Wir stehen auch hier, für unsere Freunde und Freundinnen im Hambacher Forst, der einzigen Hochburg von konsequentem Widerstand in Deutschland. Dort besetzen Umweltaktivist*Innen seit nicht weniger als 6 Jahren diesen Wald, der gerodet und anschließend für Braunkohle zu einem riesigen Loch zerbaggert werden soll. Wir wünschen den Freund*Innen Kraft, durchhaltevermögen und viel Erfolg!

Und auch weltweit wollen wir uns solidarisch mit allen Freund*Innen stellen, welche für eine bessere Welt kämpfen.
So auch mit der kurdischen Befreiungsbewegung, welche im mittleren Osten ein Modell entwickelte, welches für Demokratie, Selbstorganisierung, Ökologie, der Gleichstellung ALLER Bevölkerungsgruppen und Geschlechtergerechtigkeit einsteht. Dieses Modell der Freiheit und des Lebens verteidigen sie nicht nur gegen den Islamischen Staat, Daesh, sondern auch gegen eine faschistische Türkei unter Erdogan, welche sie jüngst Angriff – mit Hilfe von Waffenlieferungen Deutschlands. Auch die Politik hierzulande ist somit verantwortlich für Fluchtursachen, Vertreibung und Folter weltweit.
Vor allem der Kampf um die Gleichberechtigung der Geschlechter sollte für uns ein großes Beispiel sein, denn auch wir Leben immer noch in einer Gesellschaft, in der Frauen* strukturell Benachteiligt werden. Sexistische Gewalt ist auch die Grundlage für viele menschenverachtende Tendenzen in unserem Alltag.

Sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen, ist auch zehrend. Vor allem weil wir an uns selber arbeiten müssen. Es kostet etlich viel Kraft, sich im ständigen Kampf mit sich selber und der Umwelt zu befinden. Umso wichtiger ist es, dass wir zu solchen Zeiten eng beieinander stehen, uns gegenseitig unterstützen und mit den Gedanken auch bei den Freund*Innen in anderen Teilen der Welt sind, die sogar ihr Leben dafür lassen.
In Zeiten, in denen scheinbar jegliches Mitgefühl eingefroren ist, wo es bitter kalt um uns herum wird, müssen wir uns besinnen wohin wir wollen – gemeinsam!
Wir müssen uns zusammentun und uns organisieren, um etwas zu verändern, um uns zu unterstützen, um zusammen weiter zu kommen.

Wir sind alle Antifaschist*Innen, und wir haben als einzige klar Inhaltlichen Gegenprotest gestellt – und werden dies auch weiterhin tun.
Kommt zum Bündnis Chemnitz Nazifrei, kommt zum antifaschistischen Jugendkongress in Chemnitz und organisiert euch!

Alle, die wir heute hier stehen, egal welcher Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe und Klasse, aus einem breiten Spektrum der Gesellschaft, stehen hier als antifaschist*Innen gegen menschenverachtende Ideologien, in Solidarität mit den Betroffenen.

Wir sind die die bleiben, die nicht in das Weltbild der Nazis passen. Das Problem ist offensichtlich, und die Stadt muss das anerkennen. Das Bündnis Chemnitz Nazifrei hat weder personell, noch finanzielle noch strukturelle Hilfe von der Stadt erhalten.

Wir Stellen uns entschlossen progromartigen Zuständen entgegen!

Wir treten für Solidarität mit allen Betroffenen ein, und

Wir Kämpfen weiter für eine Gesellschaft, in der wir auch alle Leben wollen!

Wir bleiben aktiv antifaschistisch – wenn wir uns zusammenschließen, sind wir mehr!

Danke.